Das Gefühl, Menschen Hoffnung zu geben.....


Er will nicht, dass ich ihn als außergewöhnlichen Fachmann präsentiere. Trotzdem aber hat er mich mit fast jedem Satz von seiner Außergewöhnlichkeit überzeugt. Dr. MUDr. Jan Měšťák CSc. spricht mit mir nicht nur über Plastische Chirurgie.

Herr Dozent, wie sind Sie zur Plastischen Chirurgie gekommen und warum haben Sie sich gerade für diese Fachrichtung entschieden?

Eigentlich begann es schon in der Kindheit. Ursprünglich habe ich mich an der Hotelschule in Marienbad (Mariánské Lázně) angemeldet, aber das klappte nicht, also haben mich meine Eltern zur Ausbildung ans Physikalische Institut der Akademie der Wissenschaften geschickt. Das war so ein kleiner Betrieb, wo wir in den Entwicklungswerkstätten viele schöne Sachen gemacht haben. Dadurch bin ich zur Feinmechanik gekommen, was mir später sehr geholfen hat. 5 Jahre lang habe ich mich mit dem „Schwarzen Gewerbe“ beschäftigt und viele verschiedene Teams kennengelernt. Dort habe ich auch verstanden, dass es überhaupt nicht darauf ankommt, ob jemand Weißer ist oder nicht. Wissen Sie, wie viele ungebildete Ärzte es gibt, und wie viele gebildete Leute ohne Titel? Gleichzeitig habe ich das Abendgymnasium besucht und wettkampfmäßig getanzt und Volleyball gespielt. An der eigenen Haut habe ich erfahren, dass man viele Dinge gleichzeitig schaffen kann, und zwar ziemlich gut. Der Weg gerade zur Plastischen Chirurgie führte später über Erfahrungen aus der Klinik für Plastische Chirurgie im Stadtteilkrankenhaus für Plastische Chirurgie in Prag-Vinohrady, wo mich die Oberschwester auf dem Kieker hatte, als den in Monteurskleidung herumlaufenden, männlichen Erstsemester, der für kleinere Reparaturen auf der Station gerade gut genug ist. Dort bin ich Kindern begegnet, die Spaltträger sind oder andere Beeinträchtigungen haben, unterhielt mich mit ihnen und lernte somit die Plastische Chirurgie kennen, was entscheidend war.

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Sie sind Träger der Ehrenmedaille für Verdienste um die Entwicklung der Plastischen Chirurgie in der Slowakei sowie patentierter Erfinder in der Plastischen Chirurgie. Können Sie uns diese Erfolge veranschaulichen?

Eine meiner vielen Funktionen ist die des Leiters von Weiterbildungskursen für Ärzte in der Plastischen Chirurgie. Ich organisiere verschiedene Schulungsaktionen, ganztägige Seminare und bin Prüfer bei Attestierungen. Weil meine pädagogische Tätigkeit mit Kollegen in der Slowakei verflochten ist und war, wurde mir diese Ehrenmedaille verliehen.

Was mein Patent betrifft: dies habe ich, zusammen mit Herrn Dr. Babinec, vor ungefähr zehn Jahren vom Ministerium für Industrie und Entwicklung für sog. „Schwellungsgelstäbchen“ zur Verwendung in der Plastischen Chirurgie bekommen. Nach Einarbeitung des Gels an die betroffenen Stellen nimmt es Wasser auf und gewinnt an Volumen. Damit können einige ästhetische, aber auch unfallbedingte Beeinträchtigungen ausgebessert werden. Derzeit befasse ich mich mit einer ähnlichen Problematik, die aber in der Plastischen Chirurgie eine wesentlich breitere Anwendung findet. Ich erinnere nochmals, wie dankbar ich für meine Feinmechanik-Erfahrungen bin. Es gibt viele weitere Beispiele, die dies belegen. Und natürlich arbeite ich auch an Operationsverfahren, aber das ist schon ein anderes Thema.

Haben Sie selbst ein Fachgebiet innerhalb der Plastischen Chirurgie, auf das Sie sich spezialisieren?

Die Plastische Chirurgie, im weitesten Sinne des Wortes, verbessert unterschiedliche angeborene und später erlangte Beeinträchtigungen, Zustände nach Unfällen und Operationen, Verlustverletzungen (sog. Replantationen, d.h. die Wiederannähung von durch einen Unfall abgetrennten Gliedmaßen), umfangreiche Defekte nach der Entfernung von Haut- und anderen Auswüchsen, Verbrennungen und kosmetische Mängel. Zu Beginn meiner klinischen Praxis habe ich mich mit praktisch allen Problematiken befasst, später für lange Zeit mit Gesichtsspalten. Derzeit ist die chirurgische Lösung von Brustkrebs bei Frauen, mit der sofortigen oder späteren Brustrekonstruktion nach der Entfernung des Krebsgeschwürs, eines der tragenden Hauptprogramme an der 1.Medizinischen Fakultät der Karlsuniversität und des Fakultätsklinikums Na Bulovce, das ich leite.

Man muss wissen, dass es in der Bevölkerung Frauen gibt, bei denen Brustkrebs in der Familie vorkommt und bei denen das hohe Risiko besteht, dass auch sie erkranken. Wir haben ein erprobtes Verfahren, mit dem wir die Brustdrüsen entfernen und die Brüste anschließend direkt rekonstruieren. Die Frau kann danach in Ruhe leben, ohne darüber nachdenken zu müssen, dass bei ihr morgen, in einer Woche oder nach mehreren Monaten Brustkrebs ausbricht. Obwohl dies unsere Priorität ist, beschäftigen wir uns auch mit allen anderen Operationsarten, wie z.B. angeborenen Beeinträchtigungen der Hände, Genitalien sowie verschiedenen Auswüchsen. Ich würde sagen, dass es fast kein chirurgisches Fachgebiet gibt, das ohne Zusammenarbeit mit der Plastischen Chirurgie auskommt. Jungen Ärzten sage ich, dass dies die Basis ist und die Kosmetische Chirurgie erst am Ende der gesamten Fachrichtung steht.

Sie haben über die Brustrekonstruktion nach der Entfernung des Krebsgeschwürs gesprochen. In diesem Zusammenhang bin ich auf eine Studie gestoßen, in welcher der Wert dieser schwierigen Operation für eine Frau untersucht wird, für deren Erkrankung die Prognose ungünstig ist. Welche Erfahrungen haben Sie mit Frauen, die Sie auf diese Weise operieren?

Für mich ist das absolut eindeutig. Aus eigener Erfahrung und von Kollegen weiß ich, dass die Operation für die Frau eine große Bedeutung hat. Ich habe beispielsweise eine junge Frau mit fortgeschrittenem Brustkrebs operiert. Sowohl der Onkologe, als auch der Mammologe (Spezialisten für Krebs und Bruströntgen, Anm. d. Ü.) haben eine Operation nicht empfohlen. Sie kam eines Tages zu mir und sagte, dass sie nicht länger leben will, dass sie Brüste haben will. Ich habe mich also mit der Vorsitzenden der Ethikkommission der Ärztekammer beraten und sie hat eine psychiatrische Konsultation empfohlen, bei der es sich tatsächlich als unumgänglich erwiesen hat, die Rekonstruktion durchzuführen. Die Frau hat danach noch 6 Jahre gelebt. Ganze 6 Lebensjahre haben sich für sie ausgezahlt. Interessant ist, dass es viele Frauen gar nicht so sehr interessiert, wie korrekt die erste Operation, die Entfernung des Geschwürs, ausgeführt wird, sondern vielmehr, wie die Rekonstruktion gelingt. Ein Verlust der Brüste ist für eine Frau immer ein schweres Handicap; diese Operationen sind für uns also mehr als sinnvoll.

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Lässt sich im Rahmen der Operationen, die Sie ausführen, feststellen, wie viele ästhetisch und wie viele rekonstruktiv sind?

Eine genaue Grenze zwischen kosmetischen Mängeln und anderen Beeinträchtigungen zu finden, ist manchmal schwierig. Zu kosmetischen Mängeln gehören beispielsweise sehr große Brüste, die die Frau auch von gesundheitlicher Seite her belasten – Kopf-, und Rückenschmerzen, Hautprobleme usw. Allerdings kann man sagen, dass wir an der Universitätsklinik auf die Allgemeine Plastische Chirurgie, und an Privatkliniken eher auf Ästhetische Chirurgie ausgerichtet sind. Auch wenn wir an der Universitätsklinik natürlich ebenfalls kosmetische Mängel operieren.

Welchen Einfluss auf das Schönheitsideal haben die Medien in Tschechien?

Ganz gewiss haben sie einen Einfluss, und mit der zunehmenden Anzahl von Arbeitsplätzen für Plastische Chirurgen ist es möglich, Probleme zu lösen, die früher unlösbar waren. In meiner Praxis begegne ich häufiger Frauen. Ungefähr 94 % meiner Patienten sind Frauen, weil eine Frau vermutlich wesentlich empfindsamer und aufmerksamer hinsichtlich ihres Aussehens ist. Obwohl sich derzeit auch immer mehr Männer bemühen, die Anforderungen an ein gutes Aussehen zu erfüllen. Frauen wollen vor allem angeborene Mängel beheben, wie z.B. kleine Brüste oder eine große Nase, aber auch Altersbedingte Veränderungen. Bei angeborenen Mängeln kann dies auch ein lebenslanges Problem sein. Zu mir kam z.B. eine sechsundachtzigjährige Frau, die seit ihrer Kindheit an einer ungünstigen Naseform litt und mich erst in diesem Alter um eine Operation bat. Allgemein ist eine rasante Zunahme von kosmetischen Operationen zu beobachten.

Haben Sie nicht den Eindruck, dass mit einer Ästhetischen Operation eine gewisse Originalität verloren geht?

Vielleicht haben Sie ein Stück weit Recht, als Mann würde ich mich keiner Kosmetischen Operation unterziehen. Es gibt viele Menschen, die sich zum selben Geschlecht hingezogen fühlen, und die sich deshalb verändern wollen, was bei Männern häufiger als bei Frauen vorkommt. Es geht hauptsächlich darum, dass jeder von uns unterschiedlich empfindlich ist, was sein Aussehen betrifft. Der einen Frau macht es nichts aus, wenn sie eine Brust verliert, für eine Andere dagegen ist dies eine überlebenswichtige Frage. Wichtig ist, dass das Ergebnis einer jeden Operation natürlich ist. Es ist unglaublich, wie bestimmte Operationen die Frauen bestärken, wie sie mit Selbstbewusstsein heimkehren, wie sich ihre Ehen verbessern. Es stimmt, dass eine gewisse Originalität verloren gehen kann, aber die Identität muss erhalten bleiben.

Was also sind die häufigsten Motive von Frauen, die sich für eine Plastische Operation entscheiden?

Der Anstoß sollte niemals von einem Mann kommen. Die Frau muss die Veränderung von sich aus und für sich selbst wollen. Ich kenne Frauen, die sich nicht in einem Sammelumkleideraum umkleiden wollen, weil sie sich ihrer kleinen Brüste wegen schämen. Nach der Operation fühlt sich die Frau mit einem Mal frei und schämt sich nicht mehr für ihren Körper. Der erste Lebensabschnitt, in dem eine Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper auftritt, ist die Pubertät. Später, wenn eine Frau gebiert, verändert sich ihr Körper natürlich, und viele Männer verdeutlichen dies ihren Frauen recht uncharmant. Die Frau verliert ihr Selbstbewusstsein. Es können auch Frauen sein, die ihren Partner verlassen, und eine Operation hilft ihnen. Ein weiteres Motiv ist auch die Arbeit, Frauen müssen gut aussehen.

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Wie sieht Ihr Schönheitsideal aus?

Bei Auslandsaufenthalten bin ich zum Beispiel in Skandinavien wunderschönen Blondinen mit blauen Augen begegnet, und nach meiner Rückkehr nach Tschechien habe ich unsere tschechischen Frauen gesehen. Herrlich! Also, schwer zu sagen. Es gibt Frauen, die nicht sonderlich schön sind, aber auf uns trotzdem wie die Wunderschönsten wirken. Das kann ich so nicht bewerten. Auch beim „Miss“-Wettbewerb gibt es viele schöne Mädchen, die uns nicht ansprechen, aber dann ist da eine, die Sie fesselt.

Worin, denken Sie, ist die tschechische Plastische Chirurgie einzigartig?

Da ich viele Praxen und Kliniken kenne, weiß ich, wo unsere Stärken und Schwächen liegen. Es sind vor allem der Akademiker Burian und viele seiner Schüler, die sich um das hohe Niveau unserer Plastischen Chirurgie verdient gemacht haben. Stellvertretend für alle muss ich die Professoren Fára, Karfík, Bařinka und andere erwähnen.

Wenn ich so darüber nachdenke und mir Ihre Hände anschaue, sage ich mir, was dort wohl alles verborgen sein muss, welche Geschicklichkeit....

Ich glaube, dass es außer der Sicherheit und Festigkeit der Hände vor allem eine große Erfahrung ist, die es uns erlaubt, unsere Arbeit mit guten Ergebnissen zu tun. Wie schon erwähnt, greife ich bei vielen Operationen und in der klinischen Praxis mit großer Dankbarkeit auf meine Gewohnheiten und Erfahrungen aus der Feinmechanik zurück.

Worauf beruht, Ihres Erachtens nach, Erfolg?

Erfolgt kann individuell und kollektiv sein. Individueller Erfolg stützt sich auf Arbeitsamkeit, Disziplin, Willen, die Fähigkeit, Hürden zu überwinden, auf Intuition und Erfindungsgeist. Erfahrungen in dieser Richtung habe ich auch vom Sport her, in dem ich als Jugendlicher im Volleyball zu den Besten im Land gehörte. Leider wenden dies viele hervorragende Leute, und nicht nur im Sport, nicht professionell an. Als Erfolgsgeheimnis sehe ich auch die Fähigkeit an, Wichtiges von Unwichtigem sowie Aussichtsreiches von Unbedeutendem zu unterscheiden. Ich vergleiche das mit einer gewissen Spielanalogie im Schach, wo nicht der erste, und auch nicht der zweite, sondern der dritte Zug entscheidend ist. Was den kollektiven Erfolg betrifft, so spielen Professionalität, die Qualität der zwischenmenschlichen Beziehungen sowie auch Disziplin eine große Rolle. Gerade der Wert zwischenmenschlicher Beziehungen mit der Akzeptanz von realen und überzeugenden Zielen ist einer der wichtigsten, motivierenden Aspekte des Erfolges. Erfolge im Bereich der Plastischen Chirurgie sind, meiner Meinung nach, eindeutig von der Fähigkeit des Chirurgen abhängig, bei den Patienten ein maximales Vertrauen in den Arzt und das Operationsergebnis hervorzurufen. Meine langjährigen Erfahrungen bestätigen dies.

Worin sehen Sie die Grenze der Fachrichtung und welche Richtung sollte, Ihrer Meinung nach, die Plastische Chirurgie einschlagen?

Vor kurzem hat mich jemand nach der Gesichtshauttransplantation von einem Menschen auf einen anderen gefragt. Dazu habe ich meine ethische Meinung. Ich denke, wenn z.B. jemand einen Menschen treffen würde, dessen Gesicht Teile des Gesichtes eines verstorbenen Bekannten aufweisen würde, dass dies sehr starke Auswirkungen haben muss. Die weitere Entwicklung der Plastischen Chirurgie sollte auf die gegenwärtigen reichen Erfahrungen aufbauen, die natürlich noch erweitert werden können. Ständig ermahne ich junge Plastische Chirurgen, sich nicht in heldenhafte Leistungen zu stürzen, die oft in Verbindung mit einem hohen Risiko stehen. Eine klare Grenze sehe ich in Nüchternheit und Behutsamkeit

Kann man also sagen, dass die Grenzen der Plastischen Chirurgie eher in ethnischen Einschränkungen als in technischen Möglichkeiten bestehen?

Hundertprozentig. Und es ist wichtig, immer eine Medizin ohne Rücksicht auf Geld zu praktizieren. Geld ist für mich persönlich nur ein Mittel, um anderen eine Freude zu machen, nicht aber mir selbst. Auch für einen Plastischen Chirurgen muss die Medizin an erster Stelle stehen, nicht der Gewinn.

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Nehmen Sie an, dass in 20 Jahren, aus technischer Sicht, andere Eingriffe vorgenommen werden bzw. andere Materialien angewandt werden?

Die Hand des Chirurgen ist immer dieselbe. Und sie ist das Hauptwerkzeug, woran sich nichts ändern wird. Im Laufe der Jahre hat sich natürlich die Bandbreite der Operationen, die ausgeführt werden können, erweitert. Gegenwärtig beginnt man z.B., bei Operationen Roboter zu verwenden, aber die Basis, die Gewandtheit, das bleibt. Ich glaube, dass viele Operationsverfahren beibehalten werden. Die Mikrochirurgie wird stärker zur Anwendung kommen, aber ich erwarte keine revolutionären Veränderungen.

Manchmal hören wir Andeutungen auf eine gewisse Überflüssigkeit der Ästhetischen Chirurgie, die ja doch „keine Leben rettet....“. Was verschafft einem Ästhetischen Chirurgen, abgesehen von der Rekonstruktiven Chirurgie, Befriedigung?

Es wäre ein großer Fehler, anzunehmen, dass die Beseitigung von kosmetischen Mängeln durch einen Plastischen Chirurgen viel bedeutungsloser ist als die Beseitigung von angeborenen Fehlern. Wir wissen sehr gut, was eine Brustrekonstruktion nach der Entfernung des Krebsgeschwürs für eine Frau bedeutet. Oder auch die natürliche Vergrößerung von unterentwickelten Brüsten bzw. die Korrektur einer übergroßen Nase, über die sich die Umgebung lächerlich macht. Die größte Genugtuung und Freude für mich sind die Zufriedenheit und Glücklichkeit einer operierten Frau, deren Leben sich im positiven Sinne des Wortes verändert. Andere, auch materielle Werte, sind mir in diesen Momenten immer sehr fremd.

Vielen Dank für das Gespräch.

Petra Dvořáková

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